Zentrale Erkenntnisse 2022 Empfehlungen 2022
Zentrale Erkenntnisse 2022 Empfehlungen 2022
In allen Branchen gibt es nach wie vor Hürden für den Aufstieg von Frauen an die Spitze – und in einigen Branchen sind sie besonders hoch. Dennoch gibt es zwischen den Branchen Unterschiede in Bezug auf die Grösse dieser Hürden. Diese Hürden veranschaulicht der Glass Ceiling Index (GCI).
Der GCI für die mittlere und obere/oberste Kaderstufe zeigt deutlich: Die Hürden für den Aufstieg ins mittlere und obere/oberste Kader sind für Frauen im Bank- und Versicherungswesen am höchsten und in der Pharma/Med-tech- und MEM-Branche am niedrigsten.
Wenn Frauen auf allen Hierarchiestufen zu ähnlichen Anteilen vertreten sind, können sie im Vergleich zu Männern ohne grössere Hürden Führungspositionen erreichen. Der Glass Ceiling Index vergleicht die Geschlechterverteilung auf einer bestimmten Führungsebene mit der Geschlechterverteilung in der gesamten Belegschaft. Ein Glass Ceiling Index von 2 würde somit aufzeigen, dass sich die Übervertretung von Männern auf einer bestimmten Kaderstufe verdoppelt (im Vergleich zum Anteil von Frauen). Wenn Männer in der Gesamtbelegschaft im Verhältnis 1:1.5 vertreten sind (z.B. 40% zu 60%), sind sie in der bestimmten Führungsebene im Verhältnis 1:3 vertreten (z.B. 25% zu 75%). Der Glass Ceiling Index spiegelt somit die «Leaky Pipeline» von der untersten bis zur obersten Kaderstufe wider.
Ein Glass Ceiling Index von 1 ist optimal und bedeutet, dass Frauen auf einer bestimmten Kaderstufe im Verhältnis zu ihrem Anteil an der Belegschaft vertreten sind. Konkret bedeutet dies, dass kein weibliches Talent auf dem Weg nach oben verloren geht und das Potenzial voll ausgeschöpft wird. Liegt der Index über 1, sind Frauen (im Vergleich zu ihrem Anteil an der Gesamtbelegschaft) auf einer bestimmten Ebene unterrepräsentiert. Je höher der Wert, desto grösser sind die Hürden für Frauen und der Verlust an Talent.
Der GCI für das unterste und untere Kader ist branchenübergreifend ähnlicher. Die Hürden für Frauen, diese unteren Führungsebenen zu erreichen, sind zudem weniger gross im Vergleich zu höheren Kaderstufen.
Die Pharma/Med-tech-Branche erweist sich hier als führend, wenn es um den Frauenanteil im untersten und unteren Kader geht: Es gibt kaum Hürden.
Zwar sind Frauen im untersten und unteren Kader besser vertreten als in den mittleren und oberen/obersten, doch das bedeutet nicht zwangsläufig, dass sich die Führungspipeline wirklich mit vielfältigen Talenten füllt. Oft werden Frauen in «symbolische», zu wenig einflussreiche, Kaderpositionen befördert (Expertinnen- oder höhere administrative/Back-Office-Positionen), in denen sie wenig Verantwortung für Personal oder P&L (Gewinn und Verlust) haben und zu wenig Sichtbarkeit erhalten. Es sind keine echten «Sprungbrett»-Positionen, die Frauen an die Spitze bringen.
Betrachtet man die Gesamtstichprobe, so liegt der Anteil der Frauen in Positionen mit Personalverantwortung in den verschiedenen Führungsebenen zwischen 10% und 15%, während der Anteil der Männer mit Personalverantwortung mit jeder höheren Hierarchieebene zunimmt.
Zu diesem Muster passt auch, dass der Anteil der Positionen mit Personalverantwortung im unteren und untersten Kader bei den Bank-, Versicherungs- und Pharma/Med-tech-Branchen am niedrigsten ist, wobei in Pharma/Med-tech der Anteil der Positionen mit Personalverantwortung auch im mittleren und oberen Kader besonders niedrig ist (es scheint in dieser Branche gut möglich, auch über eine Fachkarriere eine hohe Kaderstufe zu erreichen). Und: Banken und Versicherungen haben besonders hohe Hürden, um Positionen im mittleren und oberen Kader zu erreichen.
Dass Frauen in Positionen mit Macht weniger stark vertreten sind, zeigt sich auch am so genannten “Power Gap”, der den Unterschied zwischen dem Anteil der Männer mit Personalverantwortung (im Verhältnis zu allen Männern) und dem Anteil der Frauen mit Personalverantwortung (im Verhältnis zu allen Frauen) angibt. Betrachtet man diesbezüglich die Branchenergebnisse, so zeigen sich interessante Unterschiede. Mit Ausnahme der Versicherungsbranche und den öffentlichen Verwaltungen spiegelt das Machtgefälle die Kurve des GCI wider. Während in der MEM- und der Pharma-/Med-tech-Branche, die beide einen guten GCI aufweisen, mit 7 Prozentpunkten eine der geringsten “Power Gaps” zu verzeichnen ist, ist die Lücke im Bankwesen mit 13 Prozentpunkten am grössten.
In fast allen Branchen ist die interne Entwicklung von Talenten für beide Geschlechter wichtiger als die externe Rekrutierung. Dies bedeutet, dass mehr wichtige Karriereschritte durch interne Entwicklung (Beförderungen) als durch externe Rekrutierungen gemacht werden.
Wer wird befördert? Das typische Talent, das intern aufsteigt, ist ein 31- bis 40-jähriger Mann, Schweizer, der einen Tertiärabschluss hat und Vollzeit arbeitet. Es gibt zudem keine einzige Branche, in welcher der Frauenanteil bei den Beförderungen 50% erreicht. In der Bank-, Beratungs- und MEM-Branche werden zwischen zwei Drittel und drei Viertel Männer befördert. In der Versicherungsbranche, in der Medienbranche, in Pharma/Med-tech und in der öffentlichen Verwaltung werden weniger als 60% Männer befördert. Der Frauenanteil unter den beförderten Mitarbeitenden ist in den öffentlichen Verwaltungen mit 45% am höchsten.
Im Vergleich nutzen Branchen die Beförderungen mit unterschiedlichem Erfolg, um den Frauenanteil im untersten und unteren Kader zu erhöhen. In der Bankbranche liegt der Frauenanteil bei den Beförderungen bei 33% und damit nur geringfügig über den bestehenden 30% Frauenanteil in «Sprungbrettpositionen» des untersten und unteren Kaders. Das Gleiche gilt für die Beratungsbranche, Pharma/Med-tech und die öffentlichen Verwaltungen, wo Beförderungen die Vielfalt kaum stärken, auch wenn der Frauenanteil im untersten und unteren Kader in Pharma/Med-tech und in den öffentlichen Verwaltungen von Beginn an höher ist.
Allerdings nutzen die MEM-Branche, die Versicherungen und vor allem die Medienbranche Beförderungen, um den Anteil der Frauen im untersten und unteren Kader zu erhöhen und tragen so zu einer Erhöhung der Talentvielfalt in “Sprungbrettpositionen” bei.
Diese Zahlen allein sagen jedoch wenig darüber aus, wie gut die verschiedenen Branchen ihre geschlechterdiversen, internen Talentpools nutzen. Wie schneiden die Branchen in dieser Hinsicht ab? Die Talentpipeline für Positionen im untersten und unteren Kader sind Mitarbeitende im Nicht-Kader. Vergleicht man die Beförderungsquoten von Frauen ins unterste und untere Kader mit dem Nicht-Kader, erhält man wertvolle Kenntnisse darüber, wie gut eine bestimmte Branche den verfügbaren Talentpool nutzt.
Die MEM-Branche erreicht da viel mit wenig: Sie nutzt die relativ wenigen weiblichen Talente im Nicht-Kader, um den Frauenanteil im untersten und unteren Kader zu erhöhen. Nur diese Branche (obwohl sie wenig Frauen in der Talentpipeline hat) und die Medienbranche befördern Frauen in ähnlichem oder höherem Verhältnis zu ihrer Vertretung im Nicht-Kader. Die interne Talentpipeline nutzen sie gut, um eine vielfältige, nachhaltige Talentpipeline auf dieser Ebene aufzubauen. In allen anderen Branchen werden Frauen im Vergleich zu ihrem Anteil im Nicht-Kader in geringerem Masse befördert.
Der Unterschied zwischen den Frauenanteilen bei den Beförderungen und im Nicht-Kader ist bei den Banken, Versicherungen und den öffentlichen Verwaltungen besonders gross. Diese Branchen nutzen ihre vielfältigen Talente an der Basis zu wenig, wenn es darum geht, die Karriere von Frauen intern zu fördern.
In allen Branchen dienen Beförderungen dazu, den Anteil von Frauen im mittleren und oberen/obersten Kader zu erhöhen. Aber auch bei den Beförderungen in diese oberen Führungsebenen gibt es Unterschiede zwischen den Branchen. Insgesamt nutzen die Branchen die interne Entwicklung besser, um den Frauenanteil in der obersten Führungsebene zu erhöhen, wobei allerdings zu bedenken ist, dass der bestehende Frauenanteil in diesen Positionen von vornherein sehr niedrig ist.
Doch nur etwa die Hälfte aller Branchen nutzt ihre vielfältigen Talente im untersten und unteren Kader proportional, wenn es um Beförderungen ins mittlere und obere/oberste Kader geht: Die MEM-Branche, die Medienbranche, Pharma/Med-tech und die öffentlichen Verwaltungen (zumindest fast). Die Diskrepanz zwischen der bestehenden weiblichen Talentpipeline und den Beförderungen ins mittlere und obere/oberste Kader ist in der Beratungs- und Versicherungsbranche besonders gross.
Auffallend ist: Nur die MEM- und die Medienbranche nutzen ihre vielfältige Talentpipeline anteilsmässig für die interne Entwicklung über alle Kaderstufen hinweg.
Natürlich können Unternehmen ihre Geschlechtervielfalt im Kader auch durch externe Rekrutierungen erhöhen. Allerdings sollte dies kein Ersatz für ein nachhaltiges, internes Talentmanagement sein – eher eine Ergänzung.
Alle Branchen nutzen die Rekrutierungen, um die Vielfalt in einer bestimmten Kaderstufe zu erhöhen. Im untersten und unteren Kader ist dies besonders in der Beratungs-, der MEM-Branche und vor allem in der öffentlichen Verwaltung ausgeprägt. Im mittleren und oberen/obersten Kader nutzen die Beratungs- und Versicherungsbranche und wiederum die öffentlichen Verwaltungen die externe Rekrutierung besonders gut, um den Frauenanteil im mittleren und oberen/obersten Kader zu erhöhen.
Insgesamt heben sich die öffentlichen Verwaltungen deutlich ab, wenn es um die Erhöhung der Frauenanteile auf den verschiedenen Kaderstufen mit Hilfe von externer Rekrutierung geht.
Die Daten zeigen, je «schweizerischer» eine Branche ist, desto weniger geschlechterdivers bzw. desto dicker ist die Gläserne Decke. Dies deutet darauf hin, dass sich die Schweizer Kultur immer noch schwer damit tut, Frauenkarrieren als selbstverständlich zu erachten.
Banken und Versicherungen haben beispielweise einen hohen Anteil an Schweizer Mitarbeitenden und den höchsten GCI für das mittlere und obere/oberste Kader. Die MEM-Branche und Pharma/Med-tech haben einen geringeren Anteil an Schweizer Beschäftigten und kleinere Hürden.
Ein weiterer Grund für diesen Zusammenhang könnte die sehr verbreitete Teilzeitbeschäftigung von Schweizer Frauen sein, die im (höheren) Kader, in denen Vollzeitbeschäftigung die Norm ist, noch nicht akzeptiert wird. Schweizerinnen arbeiten im Durchschnitt in tieferen Pensen als Nicht-Schweizerinnen. Interessanterweise sieht der GCI auch in jenen Branchen schlechter aus, die einen höheren Prozentsatz an teilzeitbeschäftigten Frauen aufweisen.
Frauen scheinen mit Hindernissen konfrontiert zu werden, wenn sie ihren Beschäftigungsgrad während der “Familienzeit” reduzieren. Diese Lebensphase fällt mit der Zeit zusammen, in der die meisten Beförderungen / Karriereschritte stattfinden. Im Durchschnitt reduzieren Frauen ihren Beschäftigungsgrad zwischen der Altersgruppe 25 – 35 und 36 – 45 Jahre um sieben Prozentpunkte.
Der GCI fällt besonders schlecht aus in den Branchen, in denen der «Part-Time Gap» zwischen Frauen und Männern besonders gross ausfällt.
Die Umfrage zu umgesetzten I&D Massnahmen gibt Aufschluss darüber, was gewisse Branchen anders machen und was der Schlüssel zum Erfolg sein könnte. Die folgenden Erkenntnisse leiten sich daraus ab, was in Unternehmen und Branchen, die ihre Talentvielfalt nutzen und einen guten GCI haben, zu funktionieren scheint.
Pharma/Med-tech ist diejenige Branche mit dem besten GCI insgesamt, im mittleren und oberen/obersten Kader sowie im unteren und untersten Kader. Sie hebt sich ab mit ihrer Förderung von Inklusion, was sich in nahezu jedem für den I&D-Erfolg relevanten Kriterien widerspiegelt: