In der Bankbranche sind Frauen in Führungspositionen, verglichen mit dem eigentlich vielfältigen Potenzial an der Basis, stark unterrepräsentiert. Mit 12% sind im oberen/obersten Kader deutlich weniger Frauen vertreten als im Gesamtsample der am GIR teilnehmenden Unternehmen (17%). Mit 48% Frauen im Nicht-Kader ist die Geschlechterverteilung auf dieser Stufe sehr ausgewogen (im Vergleich zu 44% bei Betrachtung des Gesamtsamples aller am GIR teilnehmenden Unternehmen). Das deutet darauf hin, dass die Bankbranche über eine geschlechtergemischte Talentbasis verfügt. Die Bankbranche verzeichnet zudem einen beträchtlichen Anstieg an jungen Talenten: Über die Hälfte aller neu rekrutierten Frauen sind 30 Jahre oder jünger, während dies bei den Männern nur auf 42% zutrifft. Um diesen Zuwachs an jungen weiblichen Talenten optimal zu nutzen, muss die Bankbranche ihr Pipeline-Management anpassen.
Wo verlieren die Banken die Frauen auf dem Weg an die Spitze? Im untersten Kader beträgt der Frauenanteil 40%, während er im unteren Kader nur noch 26% beträgt. Der Übergang von der untersten zur unteren Kaderstufe stellt somit ein Hindernis für die Karriere von Frauen dar. Das bedeutet auch, dass Frauen in Positionen mit Personalverantwortung, d. h. den Positionen, welche die für den Aufstieg an die Spitze notwendige Sichtbarkeit und Verantwortung bieten, weniger vertreten sind. Denn nur 27% aller Mitarbeitenden im untersten Kader haben Personalverantwortung (im Vergleich zu 39% im unteren Kader). Die weiblichen Kadermitarbeitenden führen also seltener Mitarbeitende.
Banken nutzen ihre interne Talentpipeline nicht genügend, um den Frauenanteil im Kader zu erhöhen. Während 48% der Mitarbeitenden im Nicht-Kader weiblich sind (die Talentbasis), gehen nur 33% der Beförderungen ins unterste und untere Kader an Frauen. Bei einer genaueren Betrachtung zeigt sich, dass Frauen bei Beförderungen vom untersten ins untere Kader besonders unterrepräsentiert sind: Obwohl 40% im untersten Kader Frauen sind, beträgt ihr Anteil an den Beförderungen ins untere Kader nur 32%. Würden Frauen proportional zu ihrem Anteil im untersten Kader befördert, müsste dieser Anteil jedoch ebenfalls 40% betragen. Das stärkt die Hypothese, dass Frauen im untersten Kader in denjenigen Positionen, welche die Chance auf eine Beförderung erhöhen, untervertreten sind. Hier ist die Talentpipeline also besonders «leaky».
Ähnliche Trends zeigen sich auch bei den Beförderungen ins mittlere und obere/oberste Kader. Während Beförderungen auf diesen Ebenen zwar dazu beitragen, den sehr niedrigen Frauenanteil an der Spitze zu erhöhen, wird die Talentbasis in den unteren Kaderstufen (31% Frauen) nicht ausgeschöpft (24% der Beförderungen in die höheren Kaderstufen gehen an Frauen).
Obwohl schon die Beförderungspraxis der Banken zugunsten der Männer ausfällt, wird das Potenzial der Rekrutierung noch weniger genutzt, um Frauen an die Spitze zu bringen. Auf allen Kaderstufen gelingt es der Bankbranche besser, die Karrieren von Frauen durch interne Beförderungen voranzubringen als durch externe Rekrutierung.
Vor allem zwischen 31 und 40 Jahren werden Frauen deutlich seltener in wichtige Sprungbrettpositionen im untersten und unteren Kader befördert und rekrutiert als ihre männlichen Kollegen. Das ist besonders auffällig, wenn es um die Rekrutierung geht, doch auch bei Beförderungen in die unteren Kaderstufen werden Männer in dieser Altersgruppe fast doppelt so häufig berücksichtigt wie Frauen.
Betrachtet man das typische Talent bei Beförderungen und Rekrutierungen von Kadermitarbeitenden, so ist dieses männlich, Schweizer, zwischen 31 und 40 Jahre alt und arbeitet Vollzeit.
Während Vollzeit sowohl für Männer als auch für Frauen in der Bankbranche im mittleren und oberen/obersten Kader die Norm ist, unterscheiden sich Männer und Frauen in ihren durchschnittlichen Pensen in den unteren Kaderstufen. Zur Veranschaulichung: Während nur 13% der Männer im untersten und unteren Kader Teilzeit arbeiten, sind es bei den Frauen 42%. Wenn ein Vollzeitpensum erwartet wird, um eine Position in den höheren Kaderstufen zu erreichen, ist der Pool der Männer, die als Talente angesehen werden, wesentlich grösser als der Pool der Frauen.
Im Alter von 31 bis 40 Jahren gründen viele Personen in der Schweiz eine Familie. Die Gesetze, Richtlinien und die Geschlechterstereotype in der Gesellschaft in Bezug auf Elternschaft setzen immer noch Anreize dafür, dass Frauen die Hauptverantwortung für die Kinderbetreuung übernehmen. Die Differenz des durchschnittlichen Beschäftigungsgrads von Männern und Frauen im untersten und unteren Kader ist im Alter von etwa 35 Jahren am grössten. Diese Differenz ist in der Bankbranche zudem grösser als in anderen Branchen (z.B. in der MEM-Branche oder in der Pharma/Med-tech-Branche). In diesen Branchen gehen die Beschäftigungsgrade von Frauen und Männern um dieses Alter herum weniger auseinander und Frauen haben weniger Hürden für den Aufstieg ins mittlere und obere/oberste Kader.
Im Vergleich zu anderen Branchen ist der Unterschied im durchschnittlichen Beschäftigungsgrad zwischen dem untersten und dem unteren Kader (bei Frauen) in der Bankbranche besonders gross. Es scheint, dass Frauen ihr Pensum erhöhen müssen, um aufzusteigen (von 86% im untersten Kader auf 90% im unteren und 95% im mittleren Kader).
Die Mitarbeitenden in den höheren Kaderstufen sind älter und männlich: 45% der Männer im mittleren und oberen/obersten Kader sind über 50 Jahre alt. Die anstehende Pensionierungswelle der Babyboomer bietet die einmalige Gelegenheit, das Kader vielfältiger zu besetzen. Während der Frauenanteil im Kader bei 27% liegt, beträgt er bei den 51- bis 60-Jährigen nur 21%. Die Pensionierungswelle der “alten Garde” wird nur schon dadurch zu einer leichten Angleichung der Geschlechterverteilung im Kader beitragen.
Um die Zusammensetzung der Führungsetage allerdings wirklich zu verändern, hat die Bankbranche noch einiges zu tun: 41% der Kaderfrauen sind 40 Jahre alt oder jünger. Um sicherzustellen, dass es diese vielfältigen Talente an die Spitze schaffen, ist ein Wandel hin zu einem nachhaltigen Talentmanagement (intern und extern) und einer Kultur der Inklusion entscheidend.
Banken nutzen ihre internen Pipelines nicht genügend, aber ihre externen Talentpools noch weniger. Gut qualifizierte Frauen gibt es – aber sie müssen erreicht, angesprochen, gehalten und entwickelt werden (Tipps für ein nachhaltiges Talentmanagement finden Sie hier [Link zu Empfehlungen der Consultingbranche]). Wie?