Empfehlungen: Wie man sich für inklusive Führung einsetzt

Inklusive Führung ist der Schlüssel für ein nachhaltiges Talentmanagement. Nur durch inklusive Führung können sich vielfältige Talente entwickeln und werden befähigt, ihren besten Beitrag zu leisten. Dazu sind zwei Dinge erforderlich: 1. Organisationsstrukturen und -richtlinien, die inklusive Führung priorisieren und belohnen. 2. Führungskräfte, welche die Verantwortung für den Aufbau einer inklusiven Unternehmenskultur übernehmen. Dies sind zwei eng miteinander verknüpfte Aspekte, die sich gegenseitig positiv verstärken.

Förderung von inklusiver Führung auf der Organisationsebene

Förderung von inklusiver Führung auf der individuellen Ebene

Förderung von inklusiver Führung auf der Organisationsebene

Damit Unternehmen die Vorteile inklusiver Führung nutzen können, müssen formale Prozesse und Programme vorhanden sein, die inklusive Führung in einem psychologisch sicheren Umfeld ermöglichen und fördern. Der Schlüssel dazu sind die Unterstützung durch die Führung sowie Transparenz über die wichtigsten Prozesse.

 

Manager:innen in inklusiver Führung fördern…

Um die Unternehmensziele und KPIs in Bezug auf Inklusion zu erreichen, muss das Unternehmen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Führungskräfte Inklusion und ihre Bedeutung im Führungsalltag verstehen. Dies ermöglicht, dass alle Mitarbeitenden auf die gemeinsame Vision einer inklusiven Unternehmenskultur hinarbeiten.

Vermitteln Sie Führungskräften, was es bedeutet, inklusiv zu führen

Nutzen Sie interne oder externe Expert:innen, um den Führungskräften das Verständnis dafür zu vermitteln, was Inklusion bedeutet, und zwar in einer Umgebung, in der sie Fragen stellen und lernen können, ohne Angst vor Konsequenzen für ihr mangelndes Wissen haben zu müssen.

  • Legen Sie als Mindestanforderung fest, dass alle Führungskräfte eine Schulung zu Vielfalt und Inklusion erhalten. Konzentrieren Sie sich bei den Schulungen auf die Schlüsselthemen der Inklusion: Erkennen der unterschiedlichen Bedürfnisse der Mitarbeitenden, Schaffung eines psychologisch sicheren Umfelds, Wertschätzung der Mitarbeitenden und Förderung der Zugehörigkeit (Perry et. al, 2021).

Integrieren Sie Inklusionsindikatoren in Leistungskriterien, Bewertungen und Belohnungen

Die Inklusionsindikatoren sollten allen Führungskräften bekannt sein und von ihnen akzeptiert werden. Damit wissen sie genau, was von ihnen erwartet wird. Ziele zu Inklusion sollten zudem spezifisch und messbar sein. 

  • Verwenden Sie Inklusions-KPIs in Leistungsbeurteilungen. In den Beurteilungen sollte gemessen werden, wie gut ein Team der Führungsperson vertraut, ob die Führungsperson ein Klima der psychologischen Sicherheit schafft, ob die Führungsperson alle fair behandelt und wie sehr sich die Mitarbeitenden wertgeschätzt fühlen.
  • Führen Sie 360°-Beurteilungen oder ähnliche Verfahren durch, die ein Feedback von Vorgesetzten, Kollegen und Mitarbeitern ermöglichen.
  • Verknüpfen Sie das Erreichen der KPIs für Inklusion an vertretbare und transparente Belohnung, wenn es um Beförderungen und Boni geht, wodurch die Inklusion noch stärker in wichtige HR-Prozesse eingebunden und als Teil des Tagesgeschäfts angesehen wird.

 

… und «Ausgrenzer:innen» in die Verantwortung nehmen

Unternehmen müssen Führungskräfte in die Verantwortung nehmen, die nachweislich andere ausgrenzen. Ausgrenzendes Verhalten kann durch Benachteiligungen bei Rekrutierungen und Beförderungen sowie im Arbeitsalltag für mehr Ungleichheit sorgen (Gloor et al., 2021). Was können Unternehmen im Falle solcher Führungspersonen tun?

Definieren Sie klar und transparent die Begriffe Inklusion und Exklusion

Bei der Schaffung eines inklusiven Umfelds sollten Sie Ihre Mitarbeitenden darüber informieren, welche Massnahmen inklusiv und welche ausgrenzend sind. Dies bedeutet, dass klar aufgezeigt wird, was nicht akzeptabel ist. Massnahmen wie das Einladen von nur vereinzelten Teammitgliedern zu After-Work-Drinks oder das Ignorieren bestimmter religiöser Feiertage bei der Planung von Veranstaltungen können dazu führen, dass sich Mitarbeitende ausgegrenzt und nicht wertgeschätzt fühlen.

  • Nehmen Sie Mitarbeitende beim Wort – wenn Mitarbeitende ein ausgrenzendes Verhalten einer vorgesetzten Person erwähnen (z. B. mein:e Vorgesetzte:r isst nur mit den Männern unseres Teams zu Mittag), ist dies ein Grund aufmerksam zu werden und ein Indikator dafür, dass die Führungskraft die Erwartungen des Unternehmens hinsichtlich Inklusion nicht erfüllt.
  • Definieren Sie Massnahmen, Richtlinien und Konsequenzen für exklusives Verhalten und für die Art des Verstosses. Alle Führungskräfte und Mitarbeitenden sollten genau wissen, was gemeint ist: Unwissenheit sollte niemals eine Entschuldigung sein!

Setzen Sie bei Ihren Gleichstellungsbemühungen einen intersektionellen Schwerpunkt

Denken Sie daran, dass sich auch Frauen in Schlüsselpositionen ausgrenzend gegenüber anderen Frauen verhalten können (Derks et. al, 2016). Sie können bewusst oder unbewusst dafür sorgen, dass Frauen für eine bestimmte Position nicht eingestellt werden. Um die Einstellung von Women of Color zu vermeiden lautet in der Schweiz die Ausrede oft wie folgt: “Es gibt einfach nicht genug von ihnen, die Deutsch sprechen”. Diese Aussage zeigt die Ignoranz, die mit der Annahme einhergeht, dass es keine Women of Color gibt, die Deutsch sprechen. Das Ausgrenzen von Women of Color, selbst wenn die (falsche) Annahme zu ihren Deutschkenntnissen richtig wäre, hindert die “Ausgrenzer:innen” daran, aktive Massnahmen zu ergreifen, um Women of Color zu unterstützen. Das heisst: sich die Mühe machen, nach Women of Color zu suchen, die Deutsch sprechen, oder ein Angebot (z.B. Deutschkurse) für nicht-deutschsprachige Frauen zu schaffen, damit diese im Unternehmen erfolgreich sein können.

  • Bitten Sie Women of Color und Angehörige von Minderheitengruppen, entweder aus einem internen Team oder einer externen Organisation, sich an den relevanten Entscheidungen zu beteiligen. Dadurch wird sichergestellt, dass die Strategie, die auf die Gleichstellung der Geschlechter ausgerichtet ist, nicht gleichzeitig Rassismus oder Homophobie fördert.
  • Schaffen Sie eine Null-Toleranz-Politik für ausgrenzende Ausreden, wenn es darum geht, ein inklusives Umfeld zu schaffen.

Verabschiedung von Richtlinien, die offenkundige Diskriminierung angehen

Für inklusive Unternehmen ist es von entscheidender Bedeutung, offenkundige Diskriminierung sofort so zu verfolgen, dass die Opfer wissen, dass sie gehört werden. Es sollte ein angemessenes Meldeverfahren eingerichtet werden, welches dem Opfer ermöglicht, die Angelegenheit zur Sprache zu bringen, sei es anonym oder nicht (Sue et. al, 2007).

 

Strukturen für die Förderung von Inklusion und Vielfalt entwickeln

Wie aus den Ergebnissen hervorgeht, gibt es in den Unternehmen weit mehr Initiativen zur Förderung der Vielfalt als zur Förderung der Inklusion. Es gibt also Massnahmen, die sich auf die Stärkung der Vielfalt konzentrieren, aber es mangelt an solchen, die sich direkt mit der Förderung von Inklusion befassen. Wie sehen Programme, die eine inklusive Unternehmenskultur fördern in der Praxis aus?

Bieten Sie traditionelle Mentoring-Programme an, um die individuelle Entwicklung zu fördern

Um Frauen in Führungspositionen zu bringen und die weiblichen Talente zu halten, sollten Sie ein traditionelles Mentoring-Programm einführen, das speziell auf Frauen ausgerichtet ist. Ein Unternehmen, das Mentoring strategisch einsetzt, ist KPMG. Ihr bereichsübergreifendes Programm fokussiert auf Frauen, um den weiblichen Führungsnachwuchs zu fördern. Für Inspiration klicken Sie hier.

  • Legen Sie eine Mindestanzahl von Stunden/Sitzungen fest, die Führungskräfte als Mentor:innen einsetzen müssen, um sicherzustellen, dass sie sich die Zeit nehmen, Mitarbeiterinnen (Mentees) zu fördern. Dabei ist es wichtig, dass Mentees (Frauen) die Themenauswahl während der Treffen bestimmen.
  • Bringen Sie, wenn möglich, Mentor:innen mit Mentees zusammen, die sich mit ihnen identifizieren können, denn die Repräsentation von Minderheiten hat in traditionellen Mentoring-Programmen eine signifikant positive Wirkung (Ijoma et. al, 2022).
  • Stellen Sie sicher, dass Mentor:innen angemessen geschult sind, sodass sie die Situation der Mentees aus unterrepräsentieren Gruppen verstehen können. Wenn dies nicht der Fall ist, erhalten Mentor:innen dieselben Systeme der Ungleichheit aufrecht, welche die Organisation zu beseitigen versucht (Janssens & Steyeart, 2019).

Nutzen Sie Reverse Mentorship, um Inklusion in der Praxis zu “leben”

Reverse Mentorship nutzt die Perspektive einer:s Mitarbeitenden aus einer unterrepräsentierten Gruppe (z.B. Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Behinderung oder aus einer intersektionellen Perspektive), um einer Führungskraft (Mentee) zu helfen, ein tieferes Verständnis für die Erfahrungen ihrer Mitarbeitenden zu gewinnen. Das aus diesen Erfahrungen gewonnene Wissen verbessert die Entscheidungen der:s Mentees und ermöglicht es der Person, inklusiver und gerechter zu handeln.

  • Betonen Sie, dass Reverse Mentorship auch für die Mentor:innen Vorteile bringt: Die Mentor:innen profitieren von einem erweiterten Netzwerk (wovon auch die Mentees profitieren) und einem Gefühl der Bestätigung und Ermutigung (Murphy, 2012).
  • Richten Sie Ihr Reverse Mentorship so ein, dass die besprochenen Themen von den Mentor:innen ausgewählt werden (anders als bei herkömmlichen Mentorship-Programmen).

Unterstützen Sie vielfältige Mitarbeitende durch ERGs – mit Führungskräften an Bord

Durch ERGs (Mitarbeitendennetzwerke) erkennt die Organisation unterrepräsentierte Gruppen formell an und schätzt die Einzigartigkeit dieser Mitarbeitenden. Inklusive Organisationen können die kollektiven Stimmen einer ERG nutzen, um das Arbeitsumfeld und die Erfahrungen für diese Menschen zu verbessern (Green, 2018).

  • Das verlangt von den Führungskräften, dass sie diesen Stimmen eine Plattform bieten. Diese Einbindung kann durch einen Executive Sponsor erfolgen, eine hochrangige Führungskraft, die vielleicht kein Mitglied der unterrepräsentierten Gruppe ist, aber den Auftrag und die Vision der ERG unterstützt.
  • Nutzen Sie ERGs als Lerngemeinschaft für Ihr Unternehmen und werben Sie dafür. Auch wenn es nicht die Aufgabe der ERG-Mitarbeitenden sein sollte, andere zu unterrichten, sollte das Lernen über den Austausch von Erfahrungen gefördert werden (Green, 2018).

 

Machen Sie «inklusive Führung» zum Auswahlkriterium bei der Rekrutierung vielfältiger Talente

Sobald eine Inklusionskultur etabliert ist, sollten potenzielle Mitarbeitende diese Kultur beim Besuchen der Unternehmenswebsite oder in den Stellenausschreibungen erkennen. Diese nach aussen hin sichtbare Förderung der Inklusion wird dazu beitragen, Kandidat:innen mit einer inklusiven Haltung anzuziehen, die später als Führungskräfte diese Kultur aufrechterhalten. Wie lässt sich Inklusion bei der Rekrutierung vielfältiger Talente verankern?

Machen Sie eine gendergerechte Sprache zur Norm

Eine gendergerechte Sprache geht über die Verwendung von Pronomen und Wortendungen hinaus (auch wenn dies wichtig ist). Es geht darum, Werte im Zusammenhang mit Inklusion zu kommunizieren und einen breiten, vielfältigen Kandidat:innenpool anzusprechen. Die Art und Weise, wie die Rolle und die idealen Kandidat:innen beschrieben werden, kann unbewusste Vorurteile vermitteln und unbeabsichtigt nur einen begrenzten Teil des vielfältigen Kandidat:innenpools ansprechen (Walters, 2017).

  • Vermeiden Sie Formulierungen wie “ehrgeizige Führungskraft”, “eigenwillige:r Kommunikator:in”, “Marketing-Rockstar” und “Programmier-Ninja”. Diese Adjektive haben einen maskulinen Bezug und können Frauen davon abhalten, sich auf eine Stelle zu bewerben.

Konzentrieren Sie sich auf die (Inklusions-)Fähigkeiten, nicht auf oberflächliche

Konzentrieren Sie sich auf die tatsächlichen Fähigkeiten, die Ihr:e ideale:r Kandidat:in mitbringen sollte, um die Stelle zu besetzen, und nicht auf die oberflächlichen wie beispielsweise die Art der Ausbildung oder jahrelange Erfahrung, die wenig über die tatsächlichen Fähigkeiten der Mitarbeitenden aussagen.

  • Kompetenzbasierte Ausschreibungen ermöglichen es Ihnen, Bewerbende mit unterschiedlichem Hintergrund (z. B. nicht-traditionelle Schulbildung) und Erfahrungen zu berücksichtigen, welche über die benötigten Kompetenzen verfügen könnten (Walters, 2017).
  • Führen Sie die Inklusionskompetenzen auf, die Sie von Ihren zukünftigen Führungskräften und Teammitgliedern erwarten und brauchen.

Vorstellungsgespräche als “Make or Break” für die Beurteilung von Inklusion

Vorstellungsgespräche sind der erste persönliche Kontakt, den Ihre vielfältigen Bewerber:innen mit Ihrem Unternehmen haben. Es ist also der entscheidende Moment, in welchem vielfältigen Bewerber:innen gezeigt werden kann, dass sie geschätzt und gehört werden. Durch Zuhören können Sie ein:e Bewerber:in identifizieren, der oder die sich als noch qualifizierter erweist als eine Person, die scheinbar alle Kriterien erfüllt. Diese Vorstellungsgespräche sind auch eine Gelegenheit für Ihr Unternehmen, um zu beurteilen wie inklusiv sich Kandidat:innen verhalten. Achten Sie darauf, welche Verhaltensweisen (inklusive oder exkludierende) die Kandidat:innen während des Gesprächs an den Tag legen.

  • Schulen Sie die an Interviews beteiligten Personen für die Durchführung kompetenzbasierter Interviews. Die Kriterien müssen vor dem Gespräch festgelegt werden, damit die Interviewer:innen nicht voreingenommen sind (Uhlman & Cohen, 2005).
  • Entwickeln Sie Interviewleitfäden, die verschiedenen Bewerber:innen Raum lassen, ihr volles Potenzial zu zeigen. Konzentrieren Sie sich nicht auf das äussere Erscheinungsbild der Bewerber:innen, sondern auf die Qualifikationen und das Potenzial. Wenn es Punkte im Lebenslauf gibt, die ungewöhnlich sind (Lücken oder nicht-traditionelle Tätigkeiten), erlauben Sie ihnen, sich und ihre Situation vollständig zu erklären.
  • Kommunizieren Sie klar und deutlich, wie Ihr Unternehmen Inklusion fördert und wie Sie verschiedene Minderheitengruppen unterstützen.

Betonen Sie die Repräsentation

Können sich zukünftige Mitarbeitende in Ihrem Unternehmen wiedererkennen? Selbst wenn auf Bildern der Unternehmenswebsite ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Männern und Frauen zu sehen ist, sind diese Personen alle Weiss? Wenn ja, schliessen Sie möglicherweise potenzielle Talente aus, ohne sich dessen bewusst zu sein.

  • Entwickeln Sie eine Vision für die Unternehmenskultur und die Zusammensetzung der Belegschaft, die Sie sich für die Zukunft wünschen, und setzen Sie diese gezielt um. Beziehen Sie nicht nur Frauen ein, sondern Frauen aus einer intersektionellen Perspektive (farbige Frauen, Frauen mit Behinderungen, Frauen aus der LGBTQ+-Gemeinschaft, Frauen mit anderer Religion usw.).
  • Ermöglichen Sie potenziellen Mitarbeitenden, bei einem Besuch mit Mitarbeitenden aus derselben unterrepräsentierten Gruppe zu sprechen. Wenn dies aufgrund der mangelnden Vielfalt nicht möglich ist, erklären Sie den neuen Bewerber:innen, wie das Unternehmen sie unterstützen wird, ohne dass sie zu «Alibi-Mitarbeitenden» werden.
  • Zeigen Sie das Unternehmen auf authentische Weise. Verwenden Sie keine Stockfotos mit anonymen Personen. Wenn die Repräsentation in der Organisation derzeit nicht gegeben ist, machen Sie transparent, wie das Unternehmen plant, den Anteil unterrepräsentierter Gruppen zu erhöhen.

Spotlight

Im Grunde geht es um Mut

Was braucht es für echte Inklusion? Auf der Ebene der Einstellung braucht es sicherlich mutige Führungspersönlichkeiten. Menschen, die den Status quo in Frage stellen und bereit sind, ihre eigenen Vorurteile zu hinterfragen. Mitarbeitenden sichere Räume bieten, in denen sie sich entwickeln und ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen können – auch wenn diese Personen anders ticken. Die Frage drängt sich auf: wie weit ist Mut in der Führung heute verbreitet?

Im Jahr 2021 führte die Unternehmensberatung Kienbaum einer Studie über Mut am Arbeitsplatz durch. Als mutig definierten die Forscher Führungskräfte, die sowohl Entschlossenheit als auch Werteorientierung zeigten. Der Bericht bestätigte zwar eine positive Korrelation zwischen Mut und Unternehmensleistung, allerdings stellten die Forscher:innen fest, dass nur 12 % der Studienteilnehmenden ihrer Definition von Mut entsprachen. Das ist knapp mehr als 1 von 10 Führungskräften. Warum ist Mut so selten?

 

Unternehmenskultur kann Mut fördern oder ersticken

Dieselbe Studie von Kienbaum stellte einen Zusammenhang zwischen mutigen Verhaltensweisen und der Unternehmenskultur her. Insbesondere klare Zielsetzungen, das Fördern von Vertrauen, eine echte Feedback-Kultur, Verantwortlichkeit und die Fähigkeit, mit Rückschlägen umzugehen. Dies deckt sich mit dem Konzept der psychologischen Sicherheit, das von Dr. Amy Edmondson untersucht wurde, sowie mit den Erkenntnissen von Dr. Brené Brown, die sie in ihrem Buch “Dare to Lead” veröffentlicht hat. Laut einer Gallup-Studie aus dem Jahr 2017 glauben jedoch nur 3 von 10 US-Arbeitnehmern, dass ihre Meinung am Arbeitsplatz zählt. Die Unternehmenskultur hat Mut in der Vergangenheit oft unterdrückt. Um dies zu ändern, ist es wichtig, bewusst in die Unternehmenskultur zu investieren, um mutige Verhaltensweisen zu fördern.

 

Lässt sich die Mutlücke schliessen?

Die Fähigkeiten, die es für Mut braucht, wurden bisher nicht (ausreichend) gefördert. Im Jahr 2021 veröffentlichte das McKinsey Global Institute eine Studie, in der untersucht wurde, welche Fähigkeiten Führungskräfte in Zukunft benötigen und inwieweit diese mit verschiedenen Bildungsniveaus verbunden sind. Wie die Studie zeigte, sind Fähigkeiten wie «Mut und Risikobereitschaft», «Vertrauen schaffen» und «mit Unsicherheit umgehen», die für die Entwicklung der oben genannten Kultur erforderlich sind, in geringem oder sogar negativem Masse mit höheren Bildungsniveaus verbunden. Unsere Bildungssysteme für höheres Management haben diese Führungsqualitäten nicht angemessen entwickelt.

“Mut ist ansteckend. Eine kritische Masse an mutigen Führungskräften ist die Grundlage für eine bewusst mutige Kultur.” – Brené Brown

Lasst uns gemeinsam mutig sein

Um auf das oben Gesagte zurückzukommen: Mut ist mit besseren Geschäftsergebnissen verbunden. Nach einem traditionellen Anlagekonzept gibt es also bereits einen klaren Grund, warum Unternehmen in diese Fähigkeiten investieren sollten. Es gibt aber auch die globalen Herausforderungen wie der Klimawandel, das Wohlergehen der Menschen und die Notwendigkeit, finanzielle und politische Stabilität zu gewährleisten die nach mutigen Lösungen verlangen. Wir müssen also in der Gesellschaft wie auch in den Unternehmen mutig sein, um gemeinsam neue Lösungen zu finden. Dies erfordert mutige Kulturen, Neugier und geschlechtsspezifisch vielfältige Vordenker:innen. Wir sind auf gutem Weg. Lasst uns gemeinsam Gas geben!

Förderung von inklusiver Führung auf der individuellen Ebene

Auch wenn Unternehmen formale Prozesse zur Förderung einer Inklusionskultur einführen, geht der Impuls für diesen kulturellen Wandel von den Führungskräften aus, die sich für Inklusion entscheiden und zu Multiplikator:innen der Inklusionskultur werden. Indem sie einen inklusiven und psychologisch sicheren Raum schaffen, fördern Führungskräfte ein Umfeld, von dem alle Mitarbeitenden profitieren und sich stärker einbringen können (psychologische Sicherheit bedeutet, dass sich Mitarbeitende in Sicherheit wissen, wenn sie in einem geschäftlichen Umfeld Risiken eingehen (Javed et. al., 2019)). Wenn die Mitarbeitenden Vertrauen in die Führungskraft haben, sind sie eher bereit, ihre Meinung zu äussern.

Wir empfehlen die Anwendung des CCDI House of Inclusive Leadership Framework, um inklusive Führung zu fördern. Das Framework besteht aus vier Dimensionen, die es Führungskräften ermöglichen, die notwendigen Schritte hin zu inklusiver Führung zu verstehen. Die Dimensionen sind: 1. Informationen sammeln 2. Einsicht gewinnen 3. Probleme lösen 4. Inspirieren.

 

Informationen sammeln

Eine inklusive Führungskraft schätzt ihre Mitarbeitenden. Diese Wertschätzung ergibt sich aus dem Verständnis für diese einzelnen Persönlichkeiten und für das, womit sie sich beruflich und privat beschäftigen. Es ist dabei wichtig, von diesen Individuen, mehr über vergangene und aktuelle systemische sowie institutionelle Ungerechtigkeiten zu erfahren, um eine bessere Zukunft für alle zu schaffen.

Lesen Sie und bilden Sie sich weiter

Der Schlüssel dazu sind Sie selbst. Eine inklusive Führungskraft zu sein, bedeutet, selbst die Initiative zu ergreifen und sich laufend weiterzubilden. Lesen Sie Literatur (oder andere Medien), die aus der Perspektive von Menschen aus Randgruppen geschrieben wurde. Diese Art der Lektüre ermöglicht es Ihnen, die Geschichte und den Kontext eines Themas besser zu verstehen, ohne die Stimmen der Randgruppen zu vereinnahmen und ihnen das Thema wegzunehmen.

  • o Lesen Sie ein Buch (und reflektieren Sie es!), z. B. So You Want to Talk About Race von Ijeoma Oluo (Woman of Color mit Erfahrung und Fachwissen zu Rassismus).
  • Podcasts wie #Our_racism ermöglichen es Führungskräften, verschiedene Stimmen zu hören, ohne eigene Mitarbeitende unter Druck zu setzen, ihre Erfahrungen zu teilen.

 

Einblicke gewinnen

Indem Sie die Erlebnisse und Geschichten Ihrer eigenen Mitarbeitenden kennen, gewinnen Führungskräfte echte Einblicke in die Erfahrungen ihres eigenen Teams und in mögliche Probleme am Arbeitsplatz. Um solche Einblicke zu gewinnen, müssen Führungskräfte zu aktiven Zuhörer:innen werden. Doch wie können Sie Ihren Mitarbeitenden zuhören und Ihr Verständnis am besten vermitteln, damit diese wissen, dass sie geschätzt werden?

Hören Sie sich persönliche Erlebnisse an

Anhand dieser persönlichen Geschichten können Führungskräfte, die aktiv zuhören, Einblicke gewinnen und sich besser in Mitarbeitende aus unterrepräsentierten Gruppen einfühlen.

  • Bauen Sie Vertrauen zu Ihren Mitarbeitenden auf, um ein angenehmes Klima zu schaffen, in welchem sie bereit sind, ihre Erfahrungen zu teilen. Gehen Sie aktiv auf diese Geschichten ein, und merken Sie sich das Gesagte, ohne sofort darauf zu reagieren. Ein Unternehmen, in dem Zuhören integraler Bestandteil der Gleichstellungsagenda ist, ist MSD. Über alle Hierarchieebenen und Abteilungen wurden “Zuhörkreise” eingerichtet, um wirklich zu erfahren, was die Mitarbeitenden brauchen, um sich in ihrer Laufbahn erfüllt zu fühlen. Klicken Sie hier, um sich inspirieren zu lassen.
  • Seien Sie geduldig und respektvoll, wenn Mitarbeitende ihre Erfahrungen mitteilen, insbesondere wenn diese Erfahrungen mit einem früheren Trauma zu tun haben. Bieten Sie sichere Räume, in denen Mitarbeitende ihre Geschichten erzählen können, z. B. im Rahmen von einer Reverse Mentorship-Beziehung oder bei einem ERG-Treffen.

Praktizieren Sie gewaltfreie Kommunikation

Gewaltfreie Kommunikation geht davon aus, dass wir alle von Natur aus gewaltfrei sind und entsprechend kommunizieren (Rosenberg, 1999). Diese Art der Kommunikation ist äusserst hilfreich, um einen Einblick in das Leben der Mitarbeitenden zu bekommen, denn sie ermöglicht es ihnen, ihr Bedürfnis zu identifizieren und eine Lösung für dieses Bedürfnis zu finden.

  • Wenn ein:e Mitarbeiter:in in einen Konflikt oder ein Problem verwickelt ist, sollten Sie eine objektive Sichtweise bewahren, anstatt Rückschlüsse bezüglich Schuld und Ursachen zu ziehen.
  • Wenn Sie mit der:m Mitarbeitenden über die Situation sprechen, sollten Sie darauf eingehen, wie sich die Person fühlt. Das muss keine komplizierte Frage sein – ein Einfaches “Wie fühlen Sie sich nach dem Vorfall?” kann genügen.
  • Zuhören und erkennen, welche Bedürfnisse der:m Mitarbeitenden in der jeweiligen Situation möglicherweise nicht erfüllt werden.

 

Probleme lösen

Zuhören und Reden reichen nicht – Sie müssen auch handeln. Nachdem Sie einen Einblick in das Leben von benachteiligten Teammitgliedern gewonnen haben, sollten Sie die Probleme, mit denen diese konfrontiert sind, entschärfen. Dies erfordert ein konsequentes Vorgehen, um einen langfristigen kulturellen Wandel zu erreichen.

Setzen Sie sich mit Ihren unbewussten Vorurteilen und denen Ihrer Mitarbeitenden auseinander

Unbewusste Vorurteile zeigen sich oft in den Stereotypen, die Menschen über andere haben, die ihnen entweder ähnlich oder unähnlich sind, oder in den unbewussten Vorurteilen, die Menschen über Gruppen von Menschen haben (Sander et. al, 2020). Diese Vorurteile können sich dann auf viele verschiedene Arten manifestieren, bis hin zur Diskriminierung.

  • Bevor Sie einer Person aus einer unterrepräsentierten Gruppe antworten, nehmen Sie sich die Zeit, innezuhalten und darüber nachzudenken, ob Ihre Worte oder Entscheidungen möglicherweise aus einer voreingenommenen Perspektive heraus erfolgen. Fragen Sie sich: “Wenn die Person in dieser Situation mit einer Person eines anderen Geschlechts oder einer anderen Ethnie ausgetauscht werden würde, wie würde ich sie dann behandeln?”

Stoppen Sie Mikroaggressionen, wenn diese auftreten

Eine Mikroaggression ist, wenn eine Weisse Frau ihre Handtasche fest umklammert, wenn eine Woman of Color mit ihr den Aufzug betritt, und die Woman of Color dies bemerkt. Der negative und falsche Stereotyp, der die Weisse Frau hat (dass People of Color kriminell sind), erzeugt die Mikroaggression.

Kein «Gaslighting»

Gaslighting tritt häufig auf, wenn eine Person oder die Gültigkeit ihrer Erfahrungen auf eine Weise in Frage gestellt wird, die Zweifel an ihrer Realität weckt (Abramson, 2014). Ein häufiges Beispiel für Gaslighting, das sich in Unternehmen zeigt, ist die Frage “Sind Sie sich wirklich sicher?”. Eine weitere Frage, die People of Color ins Gaslight bringt, die aber zunächst als unschuldig angesehen werden kann, ist “Woher kommen Sie ursprünglich?”. Diese Aussage stellt die “Swissness” der Person in Frage und lässt ihre Zugehörigkeit und Integration in Frage stellen.

  • Lassen Sie alle Mitarbeitenden wissen, dass eine Beschwerde über Diskriminierung ernst genommen und als berechtigt angesehen wird.
  • Fühlen Sie sich in die Opfer von Gaslighting ein, denn ohne Einfühlungsvermögen könnten Sie selbst Opfer Ihres eigenen Privilegs werden und ebenfalls in Gaslighting verfallen.

Beurteilen Sie inklusiv

Formulieren Sie Leistungskriterien und Beurteilungen so, dass die Nichtdiskriminierung und die Inklusion (Ermutigung zu gutem Verhalten) betont werden. Ein positives Beispiel ist: “Die Mitarbeitende übertrifft den Standard, indem sie die Stimmen aller Teammitglieder bei Besprechungen einbezieht” (d.h. faire Behandlung aller).

 

Inspirieren

Der letzte Schritt hin zu einer inklusiven Führungskraft besteht darin, zu inspirieren und ein Vorbild zu sein. Dies geschieht über zwei Wege: die Wertschätzung der Einzigartigkeit aller Mitarbeitenden und die Förderung eines Zugehörigkeitsgefühls (Shore et al., 2011).

Fördern Sie Allyship

Allyship ist eine bewährte Vorgehensweise, um Fürsorge, Interesse und Wertschätzung für die Mitarbeitenden zu zeigen. Ally zu sein bedeutet, dass eine Führungskraft ihre privilegierte Position nutzt, um sich für Mitarbeitende aus marginalisierten und/oder unterrepräsentierten Gruppen einzusetzen. Ein Unternehmen, das Männer über Allyship gezielt in ihre Gleichstellungsstrategie  einbezieht, ist die UBS mit ihrem Programm “All Bar None Male Allies”. Für Inspiration klicken Sie hier.

  • Stellen Sie in Teamsitzungen Fragen an Angehörige unterrepräsentierter Gruppen, um sicherzustellen, dass sie ihre Sichtweise einbringen können. Allies müssen nicht die Stimme für diese Mitarbeitenden sein. Vielmehr schaffen sie den Raum, in dem die Mitarbeitenden für sich selbst sprechen können.
  • Seien Sie ein:e Ally, indem Sie die Initiativen Ihres Unternehmens zur Förderung einer Inklusionskultur unterstützen. Nehmen Sie zum Beispiel an ERG-Sitzungen und -Veranstaltungen teil, um zuzuhören und Ihre Unterstützung für Ihre Mitarbeitenden zu zeigen.

Ermöglichen Sie Sponsorship

Sponsorship ist die nächste Stufe von Allyship. Sponsorships öffnen den Mitarbeitenden nicht nur die Tür zu neuen Möglichkeiten, sondern eröffnen ihnen auch neue Chancen, die sie vorher nicht hatten. Als Ally oder Sponsor ist eine Führungskraft in der Lage, ein inklusiveres Umfeld zu fördern.

  • Setzen Sie sich als Sponsor:in für Beförderungen bestimmter Mitarbeitenden ein. Empfehlen Sie Mitarbeitende, die traditionell bei Beförderungen übersehen wurden, und geben Sie diesen Mitarbeitenden eine Stimme, die sie bisher vielleicht nicht hatten.

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Männliche Führungskräfte und ihr wichtiger Beitrag zur Chancengleichheit im Unternehmen

Männliche Führungskräfte gestalten Gleichstellung! Das tönt für Sie utopisch? Oder provokant? Oder gar lachhaft? Jedenfalls kaum realistisch? Dann wird es Zeit zum Umdenken. Keine Frage, die Rolle der Männer in Diskussionen um Gleichstellung war bisher auf ein Teil-des-Problems-sein limitiert. Dabei sind sie ein wichtiger Teil der Lösung!

Die männlichen Führungskräfte im Boot zu haben ist wichtig, da Führungskräfte nach wie vor mehrheitlich männlich sind. Und für den notwendigen Wandel im Unternehmen braucht es nun mal das Engagement der Führungskräfte. Ohne sie ist eine nachhaltige Veränderung undenkbar. Hinzu kommt, dass Chancengleichheit bisher so verstanden wurde, dass sich ausschliesslich Frauen verändern müssten. Mit diesem limitierenden Fokus sind kultureller Wandel oder eine Veränderung von Unternehmensstrukturen jedoch kaum möglich. Gleichstellungsarbeit bleibt so das „Frauenthema“, mit dem Männer nichts zu tun haben (können).

 

Männliche Führungskräfte setzen sich für Gleichstellung ein!

Fragt man bei den Führungskräften nach – und das haben wir mit unserem Projekt „Leaders for Equality: Führungskräfte nutzen Chancen“ getan – so zeigt sich ein spannendes Bild: Männer in Führungspositionen halten das Thema für sehr wichtig, sind motiviert und auch vielfach bereits aktiv! Männliche Führungskräfte sehen den Business-Case, die ökonomischen Vorteile, die für das Unternehmen durch eine Stärkung der Chancengleichheit entstehen. Und sie sehen es als ein Gebot der Fairness an, sich für Chancengleichheit einzusetzen. Der Status Quo der Unterrepräsentation von Frauen wird von 90% der durch uns befragten Männer als unfair empfunden.

Häufig fehlt es jedoch (noch) am konkreten Wissen, was genau zu tun wäre. Männer sind oftmals unsicher, ob sie das Richtige tun. Der Vergleich mit ihren Kolleginnen zeigt zudem, dass sie ihr Engagement auch überschätzen.

Das Wissen über Genderinklusive Führungspraktiken ist ein wichtiger Hebel, um männliche Führungskräfte fit für die aktuellen Herausforderungen der Chancengleichheitsarbeit zu machen.

Wo engagieren sich die Führungskräfte in ihrem Unternehmen bereits? Und wie lässt sich das Engagement stärken und ausbauen? Das lässt sich mit einer Organisationsdiagnose und professionell moderierten Dialogen herausfinden und entwickeln.