Auch wenn Unternehmen formale Prozesse zur Förderung einer Inklusionskultur einführen, geht der Impuls für diesen kulturellen Wandel von den Führungskräften aus, die sich für Inklusion entscheiden und zu Multiplikator:innen der Inklusionskultur werden. Indem sie einen inklusiven und psychologisch sicheren Raum schaffen, fördern Führungskräfte ein Umfeld, von dem alle Mitarbeitenden profitieren und sich stärker einbringen können (psychologische Sicherheit bedeutet, dass sich Mitarbeitende in Sicherheit wissen, wenn sie in einem geschäftlichen Umfeld Risiken eingehen (Javed et. al., 2019)). Wenn die Mitarbeitenden Vertrauen in die Führungskraft haben, sind sie eher bereit, ihre Meinung zu äussern.
Wir empfehlen die Anwendung des CCDI House of Inclusive Leadership Framework, um inklusive Führung zu fördern. Das Framework besteht aus vier Dimensionen, die es Führungskräften ermöglichen, die notwendigen Schritte hin zu inklusiver Führung zu verstehen. Die Dimensionen sind: 1. Informationen sammeln 2. Einsicht gewinnen 3. Probleme lösen 4. Inspirieren.
Informationen sammeln
Eine inklusive Führungskraft schätzt ihre Mitarbeitenden. Diese Wertschätzung ergibt sich aus dem Verständnis für diese einzelnen Persönlichkeiten und für das, womit sie sich beruflich und privat beschäftigen. Es ist dabei wichtig, von diesen Individuen, mehr über vergangene und aktuelle systemische sowie institutionelle Ungerechtigkeiten zu erfahren, um eine bessere Zukunft für alle zu schaffen.
Lesen Sie und bilden Sie sich weiter
Der Schlüssel dazu sind Sie selbst. Eine inklusive Führungskraft zu sein, bedeutet, selbst die Initiative zu ergreifen und sich laufend weiterzubilden. Lesen Sie Literatur (oder andere Medien), die aus der Perspektive von Menschen aus Randgruppen geschrieben wurde. Diese Art der Lektüre ermöglicht es Ihnen, die Geschichte und den Kontext eines Themas besser zu verstehen, ohne die Stimmen der Randgruppen zu vereinnahmen und ihnen das Thema wegzunehmen.
- o Lesen Sie ein Buch (und reflektieren Sie es!), z. B. So You Want to Talk About Race von Ijeoma Oluo (Woman of Color mit Erfahrung und Fachwissen zu Rassismus).
- Podcasts wie #Our_racism ermöglichen es Führungskräften, verschiedene Stimmen zu hören, ohne eigene Mitarbeitende unter Druck zu setzen, ihre Erfahrungen zu teilen.
Einblicke gewinnen
Indem Sie die Erlebnisse und Geschichten Ihrer eigenen Mitarbeitenden kennen, gewinnen Führungskräfte echte Einblicke in die Erfahrungen ihres eigenen Teams und in mögliche Probleme am Arbeitsplatz. Um solche Einblicke zu gewinnen, müssen Führungskräfte zu aktiven Zuhörer:innen werden. Doch wie können Sie Ihren Mitarbeitenden zuhören und Ihr Verständnis am besten vermitteln, damit diese wissen, dass sie geschätzt werden?
Hören Sie sich persönliche Erlebnisse an
Anhand dieser persönlichen Geschichten können Führungskräfte, die aktiv zuhören, Einblicke gewinnen und sich besser in Mitarbeitende aus unterrepräsentierten Gruppen einfühlen.
- Bauen Sie Vertrauen zu Ihren Mitarbeitenden auf, um ein angenehmes Klima zu schaffen, in welchem sie bereit sind, ihre Erfahrungen zu teilen. Gehen Sie aktiv auf diese Geschichten ein, und merken Sie sich das Gesagte, ohne sofort darauf zu reagieren. Ein Unternehmen, in dem Zuhören integraler Bestandteil der Gleichstellungsagenda ist, ist MSD. Über alle Hierarchieebenen und Abteilungen wurden “Zuhörkreise” eingerichtet, um wirklich zu erfahren, was die Mitarbeitenden brauchen, um sich in ihrer Laufbahn erfüllt zu fühlen. Klicken Sie hier, um sich inspirieren zu lassen.
- Seien Sie geduldig und respektvoll, wenn Mitarbeitende ihre Erfahrungen mitteilen, insbesondere wenn diese Erfahrungen mit einem früheren Trauma zu tun haben. Bieten Sie sichere Räume, in denen Mitarbeitende ihre Geschichten erzählen können, z. B. im Rahmen von einer Reverse Mentorship-Beziehung oder bei einem ERG-Treffen.
Praktizieren Sie gewaltfreie Kommunikation
Gewaltfreie Kommunikation geht davon aus, dass wir alle von Natur aus gewaltfrei sind und entsprechend kommunizieren (Rosenberg, 1999). Diese Art der Kommunikation ist äusserst hilfreich, um einen Einblick in das Leben der Mitarbeitenden zu bekommen, denn sie ermöglicht es ihnen, ihr Bedürfnis zu identifizieren und eine Lösung für dieses Bedürfnis zu finden.
- Wenn ein:e Mitarbeiter:in in einen Konflikt oder ein Problem verwickelt ist, sollten Sie eine objektive Sichtweise bewahren, anstatt Rückschlüsse bezüglich Schuld und Ursachen zu ziehen.
- Wenn Sie mit der:m Mitarbeitenden über die Situation sprechen, sollten Sie darauf eingehen, wie sich die Person fühlt. Das muss keine komplizierte Frage sein – ein Einfaches “Wie fühlen Sie sich nach dem Vorfall?” kann genügen.
- Zuhören und erkennen, welche Bedürfnisse der:m Mitarbeitenden in der jeweiligen Situation möglicherweise nicht erfüllt werden.
Probleme lösen
Zuhören und Reden reichen nicht – Sie müssen auch handeln. Nachdem Sie einen Einblick in das Leben von benachteiligten Teammitgliedern gewonnen haben, sollten Sie die Probleme, mit denen diese konfrontiert sind, entschärfen. Dies erfordert ein konsequentes Vorgehen, um einen langfristigen kulturellen Wandel zu erreichen.
Setzen Sie sich mit Ihren unbewussten Vorurteilen und denen Ihrer Mitarbeitenden auseinander
Unbewusste Vorurteile zeigen sich oft in den Stereotypen, die Menschen über andere haben, die ihnen entweder ähnlich oder unähnlich sind, oder in den unbewussten Vorurteilen, die Menschen über Gruppen von Menschen haben (Sander et. al, 2020). Diese Vorurteile können sich dann auf viele verschiedene Arten manifestieren, bis hin zur Diskriminierung.
- Bevor Sie einer Person aus einer unterrepräsentierten Gruppe antworten, nehmen Sie sich die Zeit, innezuhalten und darüber nachzudenken, ob Ihre Worte oder Entscheidungen möglicherweise aus einer voreingenommenen Perspektive heraus erfolgen. Fragen Sie sich: “Wenn die Person in dieser Situation mit einer Person eines anderen Geschlechts oder einer anderen Ethnie ausgetauscht werden würde, wie würde ich sie dann behandeln?”
Stoppen Sie Mikroaggressionen, wenn diese auftreten
Eine Mikroaggression ist, wenn eine Weisse Frau ihre Handtasche fest umklammert, wenn eine Woman of Color mit ihr den Aufzug betritt, und die Woman of Color dies bemerkt. Der negative und falsche Stereotyp, der die Weisse Frau hat (dass People of Color kriminell sind), erzeugt die Mikroaggression.
Kein «Gaslighting»
Gaslighting tritt häufig auf, wenn eine Person oder die Gültigkeit ihrer Erfahrungen auf eine Weise in Frage gestellt wird, die Zweifel an ihrer Realität weckt (Abramson, 2014). Ein häufiges Beispiel für Gaslighting, das sich in Unternehmen zeigt, ist die Frage “Sind Sie sich wirklich sicher?”. Eine weitere Frage, die People of Color ins Gaslight bringt, die aber zunächst als unschuldig angesehen werden kann, ist “Woher kommen Sie ursprünglich?”. Diese Aussage stellt die “Swissness” der Person in Frage und lässt ihre Zugehörigkeit und Integration in Frage stellen.
- Lassen Sie alle Mitarbeitenden wissen, dass eine Beschwerde über Diskriminierung ernst genommen und als berechtigt angesehen wird.
- Fühlen Sie sich in die Opfer von Gaslighting ein, denn ohne Einfühlungsvermögen könnten Sie selbst Opfer Ihres eigenen Privilegs werden und ebenfalls in Gaslighting verfallen.
Beurteilen Sie inklusiv
Formulieren Sie Leistungskriterien und Beurteilungen so, dass die Nichtdiskriminierung und die Inklusion (Ermutigung zu gutem Verhalten) betont werden. Ein positives Beispiel ist: “Die Mitarbeitende übertrifft den Standard, indem sie die Stimmen aller Teammitglieder bei Besprechungen einbezieht” (d.h. faire Behandlung aller).
Inspirieren
Der letzte Schritt hin zu einer inklusiven Führungskraft besteht darin, zu inspirieren und ein Vorbild zu sein. Dies geschieht über zwei Wege: die Wertschätzung der Einzigartigkeit aller Mitarbeitenden und die Förderung eines Zugehörigkeitsgefühls (Shore et al., 2011).
Fördern Sie Allyship
Allyship ist eine bewährte Vorgehensweise, um Fürsorge, Interesse und Wertschätzung für die Mitarbeitenden zu zeigen. Ally zu sein bedeutet, dass eine Führungskraft ihre privilegierte Position nutzt, um sich für Mitarbeitende aus marginalisierten und/oder unterrepräsentierten Gruppen einzusetzen. Ein Unternehmen, das Männer über Allyship gezielt in ihre Gleichstellungsstrategie einbezieht, ist die UBS mit ihrem Programm “All Bar None Male Allies”. Für Inspiration klicken Sie hier.
- Stellen Sie in Teamsitzungen Fragen an Angehörige unterrepräsentierter Gruppen, um sicherzustellen, dass sie ihre Sichtweise einbringen können. Allies müssen nicht die Stimme für diese Mitarbeitenden sein. Vielmehr schaffen sie den Raum, in dem die Mitarbeitenden für sich selbst sprechen können.
- Seien Sie ein:e Ally, indem Sie die Initiativen Ihres Unternehmens zur Förderung einer Inklusionskultur unterstützen. Nehmen Sie zum Beispiel an ERG-Sitzungen und -Veranstaltungen teil, um zuzuhören und Ihre Unterstützung für Ihre Mitarbeitenden zu zeigen.
Ermöglichen Sie Sponsorship
Sponsorship ist die nächste Stufe von Allyship. Sponsorships öffnen den Mitarbeitenden nicht nur die Tür zu neuen Möglichkeiten, sondern eröffnen ihnen auch neue Chancen, die sie vorher nicht hatten. Als Ally oder Sponsor ist eine Führungskraft in der Lage, ein inklusiveres Umfeld zu fördern.
- Setzen Sie sich als Sponsor:in für Beförderungen bestimmter Mitarbeitenden ein. Empfehlen Sie Mitarbeitende, die traditionell bei Beförderungen übersehen wurden, und geben Sie diesen Mitarbeitenden eine Stimme, die sie bisher vielleicht nicht hatten.